Montag, 29. November 2010

Die USA und ihre Meinung von der Welt

Endlich gibt's wieder was Neues vom US-Außenministerium: Merkel ist "wenig risikobereit" und auch "wenig kreativ". Und aus Außenminister Westerwelle werden die US-Diplomaten nicht schlau, lässt sich herauslesen. Er sei ein "Rätsel". Seine Gedanken hätten außerdem "wenig Substanz", berichtet der US-Botschafter aus Berlin, Philip Murphy. Die gesamte Führung der Grünen hätte zu wenig Star-Potenzial.

Die USA verachten die Regierung Kenias. Die Frau des aserbaidschanischen Staatschefs habe sich so oft liften lassen, dass sie aus der Ferne zwar ihrer Tochter zum Verwechseln ähnlich sieht, ihr Gesicht jedoch kaum noch bewegen könne. Die Türkei befinde sich auf dem Weg, ein islamistisches Land zu werden und sei für Europa womöglich schon verloren. Medwedews Frau hat eine Schwarze Liste mit den Namen derjenigen russischen Politikern, die ihrem Mann nicht loyal genug gegenüberstehen und deswegen demnächst ihren Platz verlieren. Auch interessant: Ahmadinedschad hat sich überraschend für mehr Pressefreiheit eingesetzt und deshalb vom Chef der Revolutionswächter, Mohammed Ali Dschaafari, einen Schlag ins Gesicht bekommen.

Ja, ja - WikiLeaks hat wieder einmal zugeschlagen, mit ein paar Auswirkungen auf die Politik des mächtigsten Staates der Welt. Die USA stehen in der Gefahr, ihr Vertrauen und ihre Ernsthaftigkeit zu verlieren.

Aber sehen wir die ganze Sache auch mal so: Ähnliche Berichte und Notizen wird es auch im deutschen Auswärtigen Amt und bei unseren Chefdiplomaten geben. Es wäre schon mal interessant zu erfahren, was Merkel & Co. über ihre österreichischen, amerikanischen und kongolesischen Amstkollegen denken - oder nicht?

Die Frage ist viel eher: Ist es richtig, dass die ganze Welt erfährt, was im US-Außenministerium in Washington vor sich geht? Oder was einzelne Diplomaten über Politiker denken? Vielleicht ist das wichtig für unsere Politiker und die deutsche Regierung. Dann wissen sie, mit wem sie reden und wie derjenige über sie denkt. Aber langsam beginne ich mich auch zu fragen, ob es uns wirklich etwas angeht, was in den innerstern Kreisen der US-Regierung besprochen wird. WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist im Begriff, die Weltherrschaft zu ergreifen.
Andererseits: Die Ansichten, die von US-Diplomaten vertreten werden, werden von einem großen Teil der Journalisten und Reporter doch auch vertreten.

Wir müssen langsam einmal beginnen uns Gedanken zu machen, was Demokratie überhaupt bedeutet. Demokratie heißt, dass die Mehrheit bestimmt und die Minderheit jedoch nicht diskriminiert wird. Die direkte Demokratie ist die Volksabstimmung. Wie in der guten alten Sowjetunion. Hat super funktioniert. Ein Beispiel aus der heutigen Zeit: die Schweiz. Man hat dort gestern (per Volksabstimmung) entschieden, dass kriminelle Ausländer generell erstmal abgeschoben werden. Super. So funktioniert das also. Sollten wir auch so machen, oder? Direkte Demokratie auf allen Ebenen! Wenn wir in Deutschland diese Art der Demokratie einführen, dann wird Stuttgart 21 erstmal gestoppt. Okay, das wird es morgen (Dienstag, 30. November) durch den Schlichterspruch von Heiner Geißler sowieso. Aber eine direkte Demokratie könnte zum Beispiel die Steuern senken! Ja, und man könnte alle Türken abschieben! Und man könnte den Winter abschaffen, damit man nicht mehr Schneeschippen muss!

Darf ich einmal ganz direkt sein? Volksabstimmungen können nicht bei jeder Gelegenheit funktionieren. Warum nicht? Weil das Volk oft keine Ahnung hat.
Soviel einmal dazu.

Doch noch einmal zu den Hintergründen der Volksabstimmung in der Schweiz: Offiziel ging es darum, dass man kriminelle Ausländer (anch Verbüßung der Haftstrafe!) in ihre Heimatländer abschiebt und ihnen das Recht auf Rückkehr verweigert.
Zuerst einmal: Dieser Volksabstimmung folgt jetzt eine fünf Jahre andauernde Periode, in der ein passendes Gesetz formuliert werden soll. Noch ist also nicht sicher, ob kriminelle Ausländer so schnell abgeschoben werden können wie das Volk es gestern verlangt hat.
Was jedoch viel bedeutender ist: Diese Volksbefragung hat nur offiziell mit kriminellen Ausländern zu tun. In Echt geht es um die vielen Ausländer, der in der Schweiz leben. (Die Schweiz hat einen Ausländeranteil von 22%.) Viele Schweizer sind unzufrieden, sie wollen ihre kleine, sichere Schweiz zurück.
Erschreckend: Auf ihren Plakaten hat die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei Namen angeprangert wie Ivan S. (Vergewaltiger), aber auch z.B. ein Detlef S. (Kinderschänder). Dieser Detlef steht für die Angst der Schweizer vor den vielen Deutschen, die mittlerweile im Land leben. In der Schweiz gibt es eine erschreckend hohe Deutschenfeindlichkeit. Immer mehr Deutsche wandern in die Schweiz aus. Doch in der Schweiz kommt es sogar schon zu Beleidigungen und Anfeindungen in der Öffentlichkeit, etwa in Bussen. Die Schweizer Volkspartei hat in dieser Volksabstimmung ganz geschickt die Stimmung des Volkes ausgenutzt. Man will die Ausländer los werden. Und allen voran die Deutschen. Man will sie ausschaffen, wie das auf Schweizerisch heißt.

Was gibt es ansonsten noch so? Ahja, heute morgen im Radio: Auf zwei Atomwissenschaftler im Iran sind Sprengstoffanschläge verübt worden. Einer wurde getötet, der andere verletzt. Interessant. Autobomben, aktiviert durch das Umdrehen des Zündschlüssels. Fast wie in einem dieser Kalten-Kriegs-Filme in den späten Achtzigern. Jetzt ist die Frage: Wer steckt dahinter? Der CIA? Oder der Mossad?
Eins ist sicher: Der Mossad war es nicht. Denn dann wäre das Atentat erfolgreich gewesen. Wer war es also dann? Wer hätte ein Interesse daran? Ich habe keine Ahnung. Aber wir könnten WikiLeaks fragen. Die haben bestimmt irgendeinen freien Kanal im US-Verteidigungsministerium.

Des Weiteren warten wir noch immer darauf, dass man die 25 Attentäter festsetzt, die in Deutschland angebllich gerade rumlaufen. Oder dass man zumindest den Bombo fasst. Kennen Sie? Der neue Zungenbrecher: Bombo der Bombenbastler bastelt Bonbon-Bomben. Hoffentlich fassen wir diesen Schlawiner bis zum Frühling. Da könnten wir nämlich ein paar Bonbons gebrauchen, zum Karneval.

Und damit wünsche ich meinen LeserInnen/Leserinnen und Lesern/usw. eine wunderbare, schneeweiße erste Adventswoche.

Dienstag, 23. November 2010

End of November - End of the World?

Der 22. November ist jetzt auch vorbei. In einem Internetforum wurde in den letzten Tagen stark diskutiert, ob, wann und wo ein Terroranschlag in Deutschland passieren wird. Einer der Teilnehmer hatte gehört, dass dieser Anschlag am 22. November passieren würde. Dieser Termin wurde heftig debattiert. Man war der Meinung, das Ende aller Tage sei gekommen, und im Grunde alles nur im Interesse der Amerikaner. Internetforen eben... Doch im Grunde ging es zuerst einmal um den konkreten Termin. Dabei konnte man in den Nachrichten ja lesen, dass die Terroristen an diesem Tag - dem gestrigen Montag - erst nach Deutschland einreisen würden! Von einem Anschlag war noch nicht die Rede. Der Montag verstrich dementsprechend ohne nennenswerte Vorkommnisse. Heute kann man in dem Forum interessante Kommentare lesen:

"Schlimm mit den Politikern.
Wahlversprechen halten sie nicht,
Terrorversprechen auch nicht."

Ein anderer Teilnehmer reagiert so auf die Tatsache, dass es bis jetzt (Gott sei Dank) zu keinem Anschlag in Deutschland gekommen ist:

"Lasst die Jungs doch erstma auspacken." Schon makaber irgendwie...

Tatsache ist - oder könnte zumindest sein -, dass in diesem Moment zwei bis fünfundzwanzig Terroristen in Deutschland herumlaufen und irgendwas planen. Aber seien wir mal ehrlich: Das könnte doch auch so jederzeit der Fall sein, ohne Terrorwarnung. Oder?

In letzter Zeit machen wir viel durch. Castortransporte, die Grünen gewinnen an Stimmen, Terroralarm, und dann regnet es auch noch!
Ostasien dagegen hat ganz andere Probleme: Die Koreaner schießen mal wieder aufeinander, vorzugsweise der Norden auf den Süden.

Am Sonntag starten wir in den Advent, eine besinnliche und ruhige Zeit. Kurz gesagt: Jetzt ist jeder auf sich selbst gestellt - entweder man folgt dem Kaufrausch und stürzt sich in die vorweihnachtliche Hysterie, oder man bleibt zuhause am Kaffeetisch und isst das Gebäck, das man schon im Oktober bei ALDI eingekauft hat.

Donnerstag, 18. November 2010

TERRORWARNUNG

Jetzt ist es also so weit. Sagte zumindest unser Innenminister Thomas de Maizière gestern am frühen Nachmittag. Gegen Ende des Monats soll es konkrete Planungen für einen Anschlag in Deutschland geben. Und promt wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Polizeipräsenz, Kontrollen an Bahnhöfen und Flughäfen deutscher Großstädte.

Vorgestern kam ein Spielfilm in Internet, wo es unter anderem um einen geplanten Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Hannover ging.
Heute Nacht fand man dann in einem LTU-Flug von Windhoek/Namibia nach München/Deutschland einen verdächtigen Koffer, mit Kabeln und einem Wecker und einem Zünder. Jetzt ist nur noch zu klären, ob das Ding auch tatsächlich hätte explodieren können.
Und was passiert heute? GoogleStreetview kommt ins Internet! Jetzt kann man also geschickt vom Hindukusch aus ein kleines Feuerwerk planen. Das spart Al Qaida Geld und Zeit. Wie praktisch!

Sind das die Zeichen? Naht das Ende?

Ich will ja nicht diskriminierend werden, doch uns ist ja allen klar, woher die konkrete Terrorgefahr kommt (wenn nicht von einem durchgeknallten Studenten aus Griechenland, der Paketbomben ins Kanzleramt schickt): AL QAIDA.
Jetzt gilt es nur noch rauszufinden, wie viele (muslimische) Terroristen in Namibia leben. An dieser Stelle möchte ich Wikipedia zur Hilfe ziehen. Zitat: "Der Islam spielt in Namibia praktisch keine Rolle, [...]" Hmm, also ich persönlich vermute hinter dem Namibianischen Bombenterror ja eher auch einen missmutigen Studenten, der mit einem Koffer voller Wecker, alter Brötchen und einem Föhn (mit zündkabelähnlichem Stecker) seiner Heimat den Rücken kehren wollte und in München ein neues Leben beginnen wollte.

Gerade kommen die neusten Meldungen im Radio:
Die Sprecher der Polizei und des Innenministeriums geben konkrete Anweisungen: "Aufmerksam sein, aber nicht hysterisch werden." Und: "Auf Bahnhöfen einfach drauf achten, ob sich jemand verdächtig oft umsieht oder sogar einen Rucksack trägt."
Super! So einfach ist das...

Okay, aber jetzt noch ein bisschen Ernsthaftigkeit zum Schluss.
Unsere Polizei und die ganzen Ermittler im Hintergrund machen in der Regel einen guten Job. Erinnert sich jemand an die "Sauerlandmomber"? Die haben fröhlich irgendwo im Sauerland ihre Bomben gebaut und haben auf fast alles geachtet. Aber doch haben unsere Leute sie geschnappt.

Also. Die sollen nur kommen. Weit kommen sie nicht... Und sollte es Al Qaida auf unser Stuttgart 21 abgesehen haben - unsere Wasserwerfer stehen bereit!

Vaterunser (nach N. Lammert)

Im FOCUS habe ich jetzt letztens doch tatsächlich gelesen, dann der Bundestagspräsident Norbert Lammert das Vaterunser umgedichtet hat! Er hat sogar die gesamte Deutsche Messe (Gottesdienstordnung aus der Reformationszeit) neu übersetzt und neu interpretiert.
Man ist bei Neuerungen ja zuerst immer skeptisch. Aber ich finde, Lammert hat da eine erstaunliche Arbeit geleistet. Hier ist einmal die neue Fassung des Vaterunser (nach N. Lammert):

Unser Vater im Himmel!
Groß ist dein Name und heilig.
Dein Reich kommt,
wenn dein Wille geschieht,
auch auf Erden.
Gib uns das, was wir brauchen.
Vergib uns, wenn wir Böses tun
und Gutes unterlassen.
So wie auch wir denen
verzeihen wollen,
die an uns schuldig geworden sind.
Und mach uns frei, wenn es Zeit ist,
von den Übeln der Welt.

Nun soll die gesamte Deutsche Messe nach Lammert musikalisch vertont werden. Dies soll durch den (evangelischen) Komponisten Stefan Heucke geschehen, der zur Zeit Sponsoren für das Werk sucht. Er lobt Lammert (Katholik) für seine Arbeit. Die Texte seien voller Melodik und auf höchstem literarischen Niveau neu interpretiert.
Zwar gibt es das Vaterunser in der allgemeingültigen ökumenischen Fassung, doch ist auch unser Bundestagspräsident auf dem Weg, die deutsche Christeinheit einmal mehr zu einen.

Und auch theologisch gibt es einen Punkt, den ich ansprechen möchte: Lammert hat die Zeile "Und führe uns nicht in Versuchung" gestrichen. Wahrscheinlich hat er dafür gut Gründe gehabt. Denn im neutestamentlichen Jakobusbrief steht: "Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt." (Jak 1,13-14)
Natürlich war diese eine Vaterunser-Zeile schon oft Mittelpunkt von Diskussionen. Der Urtext wurde viele Male neu interpretiert und übersetzt. In Frankreich beispielsweise beten Christen statt dieser Zeile "Und lass uns der Versuchung nicht unterliegen". Lammert hat diese Problematik geschickt umgangen - er hat sie einfach gestrichen.

Kritische Blicke meinerseits gibt es bei Lammerts Fassung allerdings auch, und zwar an der Stelle "Dein Reich kommt, wenn Dein Wille geschieht, [...]" - Was ist der Wille Gottes bzw. was meint Lammert damit? Wenn er damit meint, dass das Reich Gottes erst kommt, wenn Gottes Wille durch die Menschen getan wird, dann würde das den meisten christlichen Theologien widersprechen. Andererseits hat er auch hier gute Arbeit geleistet, wenn er damit sagen will: "Dein Reich kommt wenn Du es willst." So wird daraus einfach nur eine "wahre Aussage".; Lammert bestätigt, dass Gottes Reich kommt und sein Wille geschieht. In der ökumenischen Fassung heißt es: "Dein Wille geschehe" - wir bitten darum, dass Gottes Wille geschehe. Doch der Wille Gottes geschieht ohnehin.
Doch um ehrlich zu sein: Hierbei geht es nur um Kinkerlitzchen. Im Großen und Ganzen muss man sagen: Gratulation, Herr Lammerts. Denn es gehört ein ganzes Stück Mut dazu, etwas so Fundamentales und Grundlegendes wie das Vaterunser (sowie die gesamte Deutsche Messe) neu zu übersetzen und zu interpretieren.

Sonntag, 14. November 2010

Stichprobe: Gesellschaft

Es ist der frühe Sonntagmorgen und ich werfe noch einen letzten Blick auf meinen GMX-Account. Natürlich bin ich bei GMX, wo sonst. Denn GMX bietet doch immer wieder die Möglichkeit, einen tiefen Blick in unsere Gesellschaft zu werfen. Was berichten die Schlagzeilen uns denn heute?

Ganz groß: Sex, Drogen und Alkohol: Das Promi-Quiz der Woche

Weiter unten, unter der Rubrik "Gesundheit": Was bringen Lustpillen wirklich? - zur Verdeutlichung, welchem Themenblock der Beitrag angehört, ist eine nackte Frau abgebildet.

Aber auf der anderen Seite sieht man einen weiteren Beitrag, unter der gleichen Rubrik: Geburtenzahl auf Rekordtief. Irgendwas läuft da doch falsch, oder?

Unter "Wissen": Schwule Flamingoeltern - Die homosexuellen Vögel Siegfried und Roy bekommen ein Baby. Oh Mann, kein Scherz! Die doppelte oder dreifache Ironie wird erst bei mehrmaligem Lesen klar. Klar wird aber auch: Wenn das sogar die Vögel machen, warum kann daraus keine neue Mode werden?

Natürlich gibt es auch eine Unzahl dubioser Anzeigen und Angebote, sogar auf GMX. Komischerweise ist da um viertel vor eins mitten in der Nacht ungewöhnlich wenig zu finden. Die meisten Partner- bzw. Seitensprungbörsen (ersteres kommt langsam wieder aus der Mode, das zweite gaukelt der Gesellschaft vor, in Mode zu sein) sind schon ab sechs Uhr abends geschaltet und haben zu dieser Zeit jetzt wahrscheinlich schon ihren Dienst getan. Nur das Angebot einer "seriösen" Agentur sticht mir ins Auge: Hat Ihre Liebe noch eine Chance? Aha, da kann man "gratis in die eigene Zukunft sehen". Klar, bietet sich ja an. Warum Zeit mit jemandem verschwenden, wenn die Chance besteht, dass es eventuell doch nichts wird? Lieber gleich orientieren. Für alles andere bleibt keine Zeit.

Ein ruhiger Abend/Morgen hier im Internet, bei GMX. Ansonsten finden sich mehr Sachen, die einen aufregen könnten. Gut wenn man mal die wirklich seriösen - und deshalb umso schlimmeren - Nachrichten betrachtet, dann bekommt man zu zehnten Mal in den letzten Tagen berichtet, dass endlich Mircos Handy gefunden wurde. Aha. Aber wie wäre es vielleicht mal mit dem perversen Dreckschw**n, das hinter der ganzen Sch**ße steckt??
Dann erfährt man, dass der Brand im Karlsruher Zoo sich wahrscheinlich gar nicht alleine angezündet hat. Da hat sich wahrscheinlich einer gedacht "Lass ma kurz so um die 26 Tiere braten!" In den *rsch getreten gehört der!
Und in Afrika haben sich ein Zebra und einen Esel zum Zedonk gekreuzt. Na, das is ja mal ein Ding. Ist das vielleicht der Platz, an den man sich verkriechen muss, wenn man keinen Bock mehr auf die Trends und Moden dieser Gesellschaft hat??

Aber am besten ist ja der Video-Text bei ProSieben. Da stehen die wirklich wichtigen Dinge. Und das schon in der dritten Spalte von oben. Samstagnachmittag, ich zitiere:
Justin Bieber verletzt sich am Knie!
Sag mal, ganz ohne Witz, haben wir keine anderen Sorgen?? Das erscheint ja ganz witzig. Ist es auch. Ich musste auch lachen. Aber eigentlich kann man dazu nur den Kopf schütteln.

Was ergibt also unsere kleine abendliche/morgendliche Stichprobe in der Gesellschaft?
Ergebnis: durchgefallen. Probiert es morgen wieder, Leute.

Nur mal so viel bis dahin.

Mittwoch, 10. November 2010

16. Islamwoche in Stuttgart

Letzte Woche war die 16. Islamwoche an der Universität Stuttgart. Sehr interessant, doch leider konnte ich nur die abendlichen Vorträge an drei von fünf Tagen besuchen. Aber über diese drei Veranstaltungen möchte ich jeweils einen kurzen Kommentar abgeben.

Im Vorfeld sei gesagt, dass die Islamwoche eine interessante Veranstaltung war, die vielen Menschen den Horizont erweitert hat. Dem Islam, wie er hier und heute gelebt wird, wurde ein Forum gegeben. Das Motto: "Ein Gott. Eine Welt." Die Islamwoche war nicht zuletzt dafür gedacht, Vorurteile abzubauen und eine Sichtweise aus muslimischer Sicht vorzustellen. Hierzu waren viele Referenten eingeladen, die selbst zumeist deutsche Muslime waren. Im Grunde hat das Event voll und ganz seinen Sinn und Zweck erfüllt. Doch es bleibt immer noch ein wenig Interpretationsspielraum.

Jeder Vortrag begann mit einem Vorprogramm, wo zumeist eine Hilfsorganisation vorgestellt wurde. "Muslime helfen e.V." wurde vorgestellt, ebenso wie "Wüstenkind e.V." und andere.
Der nächste zentrale Punkt war die Koranrezitation. Ein Koranvers wurde von einem "Bruder" auf Arabisch vorgelesen.
Dann folgte der Vortrag. Am ersten Tag (Montag, 1. November) redete Fatima Grimm, eine ältere Konvertitin aus Hamburg, über das Thema "Menschenwürde - Frauenwürde". Sie beschrieb im Großen und Ganzen einige Beispiele, wie muslimische Frauen heute in Deutschland leben. Dabei brachte sie das Beispiel einer jungen Frau, die ("bemerkenserterweise schon") Sara hieß und nach langjährigen Emailkontakten mit einem Algerier zum Islam konvertierte. Diese Frau reiste schließlich nach Algerien. Als sie zurückkam, war sie tief verschleiert. "Wir sagten: Wie kannst Du so etwas machen, Du wirst Deinen Job verlieren usw.", berichtet Grimm. Doch ("wie Allah es wollte") fand diese Frau einen neuen Job (als Übersetzerin muslimischer Kinerbücher) und konnte doch ihre Verschleierung beibehalten. "Gepriesen sei Allah". Ein weiteres Beispiel beschreibt einen jungen Bosnier, dessen Vater ihn gerne in der Wirtschaftsbranche gesehen hätte. Doch als der Junge älter wurde, entschied er sich anders, wurde gläubiger Muslim und ging nach Bosnien. Dort heiratete er ein Mädchen, das kurz vor dem Abitur stand. Fatima Grimm erzählt all dies, als wäre es selbstverständlich das Paradies auf Erden, wenn man so früh wie möglich heiratet, solange man doch nur religiös sei. Eine legitimierte Ansicht vielleicht, aber dennoch für den Außenstehenden etwas irritierend.
Und so ging es weiter. Im Grunde beschrieb Grimm nur, wie mislimische Frauen ihren Glauben trotz Hindernissen leben können. Um "Frauenwürde" geht es nur in dem Punkt, dass das Kopftuch für Frauen würdiger sei, als alles von sich zu zeigen und die Männer draufstarren zu lassen. Damit kann sie unter Umständen Recht haben; das will ich gar nicht bestreiten. Doch als Fazit zu diesem ersten Vortrag:
Unter dem Titel "Menschenwürde - Frauenwürde" stellt sich der Besucher einer Veranstaltung, die den Dialog und Abbau von Vorurteilen zum Ziel hat, etwas mehr Vielfalt vor. Um Vorurteile zu bekämpfen, muss man wenigstens auf sie eingehen.
Der Vortrag endet passend zur Gebetszeit. Frauen verschwinden in einem extra dafür gekennzeichneten Raum, die Männer stellen sich im Foyer in drei Reihen auf und verrichten ihr Gebet.

Der zweite (von mir besuchte) Vortrag: Der katholische Uni-Professor Karl Josef Kuschel aus Tübingen spricht über das Thema "Für ein Miteinander von Juden, Christen und Muslimen: Lessings Vision als Herausforderung heute".
Und dieser Vortrag hat mir schon etwas besser gefallen. Es ging um das Werk "Nathan der Weise", das von Gothold Ephraim Lessing vor 230 Jahren geschrieben wurde. Kuschel setzt sich seit 20 Jahren für den Dialog (oder besser: Trialog) der drei Weltreligionen ein. Der gesamte Vortrag war extrem komplex, doch in sich total schlüssig und logisch. Hier nur einige Stichworte:
Das Stück "Nathan der Weise" ist das einzige Drama der deutschen Literatur, das alle drei Religionen zum Thema hat.
Das Drama hat ein gutes Ende, ganz gegen den Trend der damaligen Zeit. Lessing wollte weder Opfertod noch Märtyrertum in seinem Stück. Er lässt es gut ausgehen.
"Nathan der Weise" sei ein Toleranzstück, wird oft behauptet. Kuschel sagt: "Nein, es ist noch viel mehr als das." Toleranz bedeute Duldung. Und Duldung ist eine Beleidigung, so Kuschel. Lessing fordert Akzeptanz.
Auch die Tatsache, dass in seinem Buch ein Jude im Mittelpunkt steht, hat für Lessing eine Bedeutung. "Tugend da suchen, wo man keine vermutet", beschreibt Kuschel diese Vorgehensweise. Auch der weise Muslimherrscher Saladin wird diesem Zweck gerecht. Die Ansichten in der Zeit Lessings waren geprägt von Vorurteilen gegen Juden und "Muselmänner", denen er entgegenwirken wollte.
Lessing hat den Koran gelesen. Einen seiner Ansatzpunkte hat er aus der Koransure 5,48: "Wetteifert im Guten!" Es wird eine "echte Liebe zwischend en Religionen" gefordert. Lessing betrachtet die Religionen nicht isoliert, sondern blickt hinter die Kulissen, leuchtet die Hintergründe seiner Charaktere aus und zeigt, dass alles miteinander vernetzt ist.
Das wichtigste Element bei "Nathan der Weise" ist die sogenannte Ringparabel. Diese will ich hier einmal kurz vorstellen (für alle, die das Buch nicht bzw. mit mangelnder Aufmerksamkeit gelesen haben):
Ein Vater hat drei Söhne und einen Ring. Er liebt alle drei Söhne gleich und will den Ring deshalb an alle drei vererben. Er lässt von einem Goldschmied zwei andere Ringe machen, die dem echten so ähnlich sehen, dass nur der Vater weiß, welcher der echte Ring ist. Am Ende bekommt jeder Sohn einen Ring und denkt, er hätte den richtigen. Schließlich ziehen die Söhne vor einen Richter und wollen jeweils die Bestätigung, dass ihr Ring der echte sei. Der Richter kann/will nicht urteilen und sagt, das müsse ein anderer Richter zu einer späteren Zeit bestimmen. Der Richter fordert die Söhne gleichermaßen heraus. Er will, dass jeder seiner Sache im Guten nacheifre. Dieses Motiv kommt aus dem Koran. Die Wahrheit kann nur bewahrheitet werden durch das Wetteifern der Liebe. Jeder der Söhne solle also nicht um sein Recht kämpfen, sondern einfach annehmen, dass sein Ring der echte sei.
Eine interessante Ansicht. Ich muss zugeben, dass ich das Buch "Nathan der Weise" damals in der Schulzeit nicht wirklich mit Interesse gelesen habe. Doch wer bei diesem Buch hinter die Kulissen schaut, der entdeckt eine Sichtweise, die den meisten Menschen unbekannt ist. Doch es lohnt sich auf jeden Fall, über diese Sichtweise nachzudenken.
Das Problem ist nur: Bei der Ringparabel wird der Vater nicht wirklich nach seiner Ansicht gefragt. Lessing setzt praktisch voraus, dass Gott alle drei Religionen gleichberechtigt hat. Der Koran versteht sich jedoch als einzige und endgültige Offenbarung Gottes an den Menschen. Und noch weiter gehen (zumeist evangelikale) Christen: Hier wird der muslimische Gott erst gar nicht als derselbe Gott wie der der Juden und Christen anerkannt. Nach Lessing haben aber alle drei Religionen den gleichen Gott.

Der dritte von mir besuchte Vortrag war der letzte der diesjährigen Islamwoche. Es war der gewichtigste und umfassendste. Es ging um das zentrale Thema bzw. um eine der zentralen Fragen in der Religion: "Liebt Gott den Menschen?" Den Vortrag über Gottesliebe im Islam hielt der Konvertit Gerhard Abdulqadir Schabel.
Auch hier will ich aus Platzgründen nur die wichtigsten Thesen ansprechen.
Die simple Frage, ob auch der islamische Gott den Menschen liebe, wird mit "ja" beantwortet. Gott hat den Menschen die Verantwortung über die Schöpfung gegeben. Das hat mit Vertrauen zu tun, und wen man liebt, dem vertraut man auch.
Gott hat uns mit göttlichen Eigenschaften ausgestattet sowie mit Eugenschaften, die uns ein Leben im Diesseits ermöglichen, so Schabel. Er hat uns auch mit dem freien Willen ausgestattet, also: Wer zu Gott will, kann selbst entscheiden, ob er Gutes oder Böses tut.
Frage: Haben wir Gottes Liebe entgegnet? Nehmen wir unseren Job als Behüter der Erde wahr?
Für Muslime ist das Leben eine Prüfung Gottes. Und hier haben sie es im Gegensatz zu den Christen einfacher: Der Koran verlangt, dass Muslime gegen alle Menschen "gerecht" werden. Christen würden jedoch von sich selbst verlangen, immer und andauernd Liebe zu üben. Das sei insofern schwierig (wenn nicht sogar unmöglich), da Liebe eine göttliche Eigenschaft sei. Es ist eher möglich, seinem Umfeld (auch den Menschen die man liebt) mit Gerechtigkeit zu begegnen.
Für Muslime gilt: Niemand ist befreit von der Prüfung Gottes, nur weil er sagt "Ich glaube!" ("Ich bin Muslim!") Diese Prüfung kann sowohl Angst, Not und Hunger sein, als auch bei Reichen die Bereitschaft zur Nächstenliebe.
Der Koran hat dem Muslim Regeln gegeben, an die er sich halten soll. Doch Gott liebt den Menschen für sein freiwilliges Tun, so Schabel.
Der Vortrag war sehr interessant. Er vermittelte eine andere Sichtweise auf das Gottesbild des Islam und auf den Islam selbst, als das, das uns von den Medien gemacht wird. In der anschließenden Diskussionsrunde fiel auch die Frage eines Muslims, wie man "mit Politikern wie Sarrazin oder Seehofer umgehen" solle. Zum Erstaunen vieler verteufelt Schabel niemanden, sondern er fordert die Muslime auf, sich vielmehr selbst an der eigenen Nase zu packen. Denn nicht jeder, der sich in Deutschland Muslim nennt, sei auch ein solcher. "Es gibt Muslime, die ihre Religion selbst in Verruf bringen". Auf sowas würden die Politiker reagieren.
Interessant auch: Der Islam will an vielen Stellen eher die Eintracht, wo wir sie als Außenstehende nicht vermuten. So steht im Koran angeblich am Ende einer jeden Anweisung für ein Urteil, dass in jedem Fall das "Verzeihen" der bessere Weg zu Gott wäre.

Ein Fazit:
Eine interessante Woche mit vielen Informationen und Sichtweisen. Auf jeden Fall eine Horizonterweiterung.

Kritik:
Natürlich ist alles eine Sache der Interpretation. Für außenstehene Personen war vor allem der erste Vortragstag etwas verwirrend, wenn nicht sogra abeschreckend. Betende Muslime im Foyer, Koranrezitationen. Es glich wahrhaft eher einer Missionsveranstaltung. Die meisten Besucher der Vorträge waren Studentinnen mit Kopftuch. An Info-Material gab es vor allem Bücher und Broschüren, die auf die Stellung Jesu im Koran eingingen. Die vorgestellten Hilfsorganisationen arbeiten vor allem in muslimischen Ländern und helfen auch in erster Linie Muslimen (z.B. in Gaza). Es schien alles eher eine innermuslimische Angelegenheit und Propagandaveranstaltung zu sein. Jedoch alles im Rahmen des Legalen. Es ist ja schließlich nicht verboten, Werbung für seine Religion zu machen. Nur ein wenig hat es mich gewurmt, als in den Pausen und vor Beginn der Vorträge einige muslimische Lieder kamen, - es waren ziemlich genau immer drei gleiche -, die teilweise zweifelhaften Inhalt hatten. Eines dieser Lieder erzählte davon, wie Muslime in "ihren Ländern für den Islam" sterben, wie sie verfolgt werden. In diesem Lied kommen folgende Textzeilen vor (auf Englisch): "So leben wir unser Leben in Stille/und geben vor, nicht zu hören/die Stimmen unseres Volkes nicht zu hören./Der Schrei ist so klar./Warum stehen wir nur dabei und schauen zu/wenn unsere Brüder "Dschihad" rufen?/Wir sind verbunden durch unsere Überzeugung,/wir glauben an Allah!" Der Refrain fragt: "Hast du gehört von Kosovo gehört, von Afghanistan?" und zählt einige weitere Länder auf. Das Ende des Refrains lautet: "Weißt Du, dass all diese Menschen für den Islam sterben?" Ich weiß nicht ob dieses Lied es wert ist, dass man so ausführlich darauf eingeht. Doch es war irgendwie charakteristisch.
Kritik jedoch auch an einem anderen Punkt: Angeblich hat die MSU (Muslimische Studentenunion) zur Islamwoche unzählige Einladungen - auch an offizielle Stellen - verschickt. Niemand ist gekommen. Da muss man sich fragen: Ist es so verwunderlich, dass die ersten Vorträge eher einer rein muslimischen Angelegenheit glichen, wenn es von deutscher/christlicher Seite niemand nötig hat, sich blicken zu lassen? Dialog ist wichtig und in unserer heutigen Zeit unerlässlich.

Zum Stichwort Dialog.
Ich habe einmal an der Uni ein Seminar besucht, wo es um Dialog ging, allerdings im christlich-jüdischen Sinne. Und ein Fazit ist mir ganz interessant erschienen:
Dialog heißt, dass ich mich mit dem anderen auseinandersetze, mit ihm ins Gespräch komme. Dialog heißt aber nicht, dass ich mich auf irgendetwas einigen muss. Jeder Teilnehmer am Dialog hat das Recht zu sagen: "Okay, ich hab deine Position gehört, ich hab dir meine Position erklärt. Wir haben miteinander geredet, wir haben miteinander Kaffee getrunken. Aber das war's dann auch." Wo steht geschrieben, dass man beim Dialog auf eine "Einigung" oder auf irgendeine Lösung kommen muss? Doch ich glaube das ist es, was die meisten Menschen vom Dialog abhält - die Angst, sich mit dem anderen auf irgendeinen Punkt einigen zu müssen.
Soviel nur dazu. Dialog ist wichtig - auch mit den Muslimen in Deutschland.

Dienstag, 9. November 2010

Die Reichspogromnacht und Alfred Grosser

Zum Gedenken an die Reichspogromnacht vor 72 Jahren fand heute Abend eine Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche statt. Gedacht wurde der als "spontanen Volksgewalt" getarnten Pogrome der SS im Jahre 1938. Landesweit wurden Synagogen niedergebrannt, Heilige Schriften geschändet und tausende von jüdischen Geschäften geplündert. Bei den Ausschreitungen kamen auch 91 Menschen ums Leben. Dieses Ereignis bot den in Deutschland verbliebenen Juden damals ein deutliches Zeichen, dass es wohl doch schlimmer kommen würde als befürchtet.

Was für mich interessant ist, ist der Redner an diesem Gedenktag selbst: der wie es heißt "umstrittene" Publizist und Autor Alfred Grosser. Der Zentralrat der Juden hatte im Vorfeld schon gedroht, sollte Grosser gegen Israel oder den Zentralrat selbst wettern, würden die Mitglieder die Veranstaltung verlassen. Zu dem großen Eklat kam es nicht.
Ich hatte im Oktober die Ehre, einer Rede von Grosser an der Uni Tübingen beizuwohnen. Grosser, selbst deutschstämmiger Jude, ist eine höchsstinteressante Persönlichkeit. Ich teile mit ihm so gut wie keine Meinung. Aber ich bewundere ihn. Er vertritt nicht etwa eine bestimmte Strömung an Meinungen. Er hat sich seine Meinung zu jedem Thema selbst gebildet.
Grosser hielt Mitte Oktober 2010 die 9. Theodor Eschenburg Vorlesung an der Uni Tübingen zum Thema "Welche Last der Vergangenheit? Deutschland und Israel". Und da ich zu dieser Vorlesung damals keinen Blogeintrag gestaltet habe, will ich das nun nachholen und Euch einmal die Politik des A. Grosser vorstellen.

Als Franzose ging Grosser natürlich zuerst einmal auf die Deutsch-Französische Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein und betont, dass schon die Französische Verfassung in ihrer Präambel vom Zweiten Weltkrieg als Krieg gegen ein "Regime", nicht gegen Völker oder Länder, spricht. Grosser distanziert sich betont von der "Kollektivschuld" ("Alle Deutschen waren Nazis") und erwähnt, dass es auch Deutsche gab, die geholfen haben und von denen niemand spricht.
Er spricht die "Auschwitzkeule" an - das Totschlagargument Auschwitz. Mit der Schuldfrage geht er liberaler um als die meisten Deutschen es heute tun.
Elie Wiesel werde in Deutschland zu Unrecht verehrt, behauptet Grosser.

Auch auf Sarrazin geht er ein. Er verurteilt dessen "Werk" und weist darauf hin, dass Sarrazin geschickt Quellen verfälscht hätte - eine Sache, auf die man selten eingegangen ist, als die großen Diskussionen um Integration und Islam tobten. Grosser hält nichts vom Trend der Deutschen: "Ein bisschen Wahrheit steckt ja schon drin..." usw. hält er für schwachsinnig.

Schlagwort zur Integration:
"Frei machen ohne zu entwurzeln."

Grosser befürwortet den Ethikunterricht als Pflichtveranstaltung. So würde das muslimische Mädchen außerhalnb ihrer Familienstrukturen erkennen, dass man nicht unbedingt ein Kopftuch tragen müsse. Das gelte (in einer anderen Konstellation) natürlich auch für den katholischen Jungen aus Bayern.

Die Kirchen würden zu wenig sagen zu den verfolgten Christen weltweit, vor allem denen in der islamischen Welt.

Grossers Ansatzpunkt zur Israel-Politik und zu einigen anderen Themen lautet:
"Die Leiden der Anderen anerkennen."
Wie könne der palästinensische Junge den Schrecken der Selbstmordattentate verstehen, wenn man sein Leiden nicht anerkenne?
Grosser sieht die Gaza-Blockade als völkerrechtswidrig an.
Er sagt, es gäbe auf der Welt kein "Rückkehrrecht". Das gibt es für die vertriebenen/geflüchteten Palästinenser genauso wenig wie für die Juden (nach 2.000 Jahren!), so Grosser.
Der Schriftsteller spricht sich gegen eine Zwei-Staaten-Lösung aus. Er würde eine Ein-Staaten-Lösung anstreben, nach dem Modell Theodor Herzls. Denn schon der Begründer des Zionismus spricht in seinem Werk "Der Judenstaat" von einem friedlichen Miteinander. Hier geht er einen ziemlich einsamen Weg in unserer heutigen Zeit. Doch ich muss ehrlich sagen, dass das auch mein Lösungsansatz war, bevor ich ein Jahr in Israel verbracht habe.
Grosser weist deutlich auf das Unrecht hin, das den Palästinensern in Israel widerfahre. Doch er kritisiert auch die arabischen Staaten rund um Israel. Deutschland hätte nach dem Krieg die Vertriebenen (Sudentendeutsche, u.a.) erfolgreich in die Gesellschaft integriert. In den arabischen Staaten geschieht genau das Gegenteil. Palästinensische Flüchtlinge werden gezielt ausgegrenzt.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Alfred Grosser dem Staat Israel das Existenzrecht abspricht, wenn dieses nur auf die jüdische Identität aufbaut. Grosser, der selbst Atheist ist, verurteilt außerdem jene atheistischen Israelis, die trotz des Abfalls von der jüdischen Religion auf die Bibel als Legitimation eines jüdischen Staates verweisen. Ich kritisiere vor allem die Ansicht, dass der Staat Israel als jüdischer Staat nicht nötig wäre. Ich stimme Grosser zu, wenn er auf dass Unrecht hinweist, das den Palästinensern geschieht. Doch er differenziert nicht genug zwischen den Ursachen für dieses Unrecht. Grossers Haltung gegenüber Lobbypolitikern wie den Mitgliedern des Zentralrats der Juden in Deutschland kommt klar rüber.

Vor allem in der nachfolgenden Diskussion kommen Anmerkungen und Fragen aus dem Publikum, bei denen in mir stellenweise die Wut aufkocht. "Warum tut keiner was, um Israel an seinen Verbrechen zu hindern?" So nach dem Motto: Wann stürzt sich die Welt endlich auf diesen kleinen, jüdischen Staat? Dann wären alle Probleme gelöst. Ich glaube, die Leute vergessen, dass sich unsere Presse auf jedes kleine Detail stürzt, mit dem der israelische Staat falsch umzugehen scheint. Und dass sich unsere Politiker doch schon an Free Gaza Aktionen auf bewaffneten Schiffen beteiligen. Und dass in Deutschland tausende Menschen auf offener Straße Israel den Tod wünschen dürfen, wenn die Demonstration nur angemeldet ist. Und dass Bundesaußenminister Westerwelle bei jedem Besuch in Israel seine Kritik an den Siedlungen im Westjordanland rauslässt? Zum Kuckuck, ist das denn nicht genug?! Was erwarten die Menschen? Dass wir Israel höchstpersönlich ausradieren?

Jetzt bin ich ein wenig vom Thema abgekommen. Ob dieser Artikel seiner Überschrift gerecht wird, weiß ich nicht. Doch ich wollte einmal auf Herrn Grosser eingehen, denn ich denke den wenigsten Menschen in Deutschland sagt dieser Name wirklich etwas. Wie gesagt, obwohl ich ihm nicht oft zustimme, bewundere ihn auf eine gewisse Weise. Denn er hat seine eigene Meinung - was man heute von den wenigsten Menschen behaupten kann.